Geburtsfotos im Hebammenkreißsaal Buchholz

Warum ich meinen Kindern Erinnerungen schaffen möchte

Die Fotografie als Ventil meiner Ängste

Seit ich Mutter bin, habe ich die große Angst, dass ich von dieser Welt gehe, ehe meine Kinder sich wirklich und ganz bewusst an mich erinnern können. Ich denke, ich teile diese Angst mit vielen Eltern. Mein Ventil um mit dieser Angst umzugehen ist die Fotografie.
Natürlich wünsche ich mir, dass meine Kinder für immer im Herzen fühlen, wie sehr ich sie liebe. Und dass mein Mann und andere Personen es ihnen erzählen, sollte ich es, aus welchem Grund auch immer, selbst nicht mehr können. Aber das liegt nicht in meiner Hand. 

Was ich ihnen mitgeben kann, sind Fotografien. Fotos, die sie ansehen, ja, die sie in die Hand nehmen können. Vervielfältigen, verwahren, verstecken und wieder hervorholen. Die sie ihren eigenen Kindern zeigen können. Die ihnen helfen, zu be-greifen, wie groß meine Liebe für sie ist und was uns als Familie ausmacht.

Und so mache ich Bilder in den denkbarsten Situationen. Um ihnen die Erinnerungen zu schaffen.

Mutter hält Neugeborenes Baby im Arm

Mein Kind sollte für immer selbst sehen können, wie gewünscht, gewollt und ersehnt es war

Deshalb wünschte ich mir auch Bilder von der Geburt unseres Kindes. Damit es für immer sehen kann, wie gewünscht und gewollt und ersehnt es war. Und in welch liebende Arme es geboren wurde. Auf Grund des zweiten Lockdowns der Corona Pandemie und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen, konnten wir keine professionelle Geburtsfotografin buchen (darüber habe ich hier geschrieben). Und das stimmte mich durchaus traurig. Irgendwann schlich sich jedoch der Gedanke ein, dass ich auf diese Bilder gar nicht komplett verzichten musste. Ich hatte selbst eine Kamera, die ich fast im Schlaf bedienen konnte. Vielleicht konnte ich das also auch unter der Geburt? Es klang so verlockend. Allerdings waren Selbstporträts zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht meine Stärke und ich hatte nur eine leise Vorstellung davon, wie das Ganze funktionieren konnte.

Als ich meinem Mann von meiner Idee erzählte, war er tatsächlich sofort einverstanden. Er wusste, wie bedeutsam ich Geburtsbilder finde und wie groß mein Wunsch nach eben solchen war. Wie alles, was die Geburt betraf, besprachen wir im Vorfeld, wie wir uns diese Art der Geburtsfotos vorstellen konnten.

Der Entschluss war gefasst: Mein Mann und ich werden selbst für Erinnerungsfotos sorgen

Geburtsbilder ja - aber bitte ohne Druck und zu hohen Erwartungen

Mir war wichtig, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt gestört fühlte. Ich wollte zwar diese Bilder zwar so sehr, aber nicht um den Preis von einer selbstbestimmten, auf den Geburtsprozess fokussierten Geburt. Geburtserlebnis ging also vor Geburtsfotos. Das war der Deal. Alles sollte ohne Druck stattfinden. 

Außerdem schraubten wir die Erwartungen drastisch herunter. Mir war klar, dass wir nicht diese Vielfalt an Perspektiven und Momenten haben können, die eine dritte Person einfangen würde. Zudem würde es sicherlich viel “Ausschuss” geben, wie man unter Fotograf*innen sagt. Also Bilder, bei denen beispielsweise der Fokus nicht richtig sitzen würde. Ich weiß noch, dass ich zu meinem Mann sagte „und wenn es nur ein einziges Bild gibt, das von dieser Geburt erzählt, dann ist das doch großartig!“

Mein Mann nahm meine Kamera ohnehin immer mal in die Hand, sodass er die Grundeinstellungen bereits etwas verstand. Ein paar weitere Dinge erklärte ich ihm dann noch, hatte natürlich aber nicht die Erwartung an ihn, dass er sich zum professionellen Geburtsfotografen ausbildete. Er sollte weiterhin vor allem mein Geburtsbegleiter sein und mich auf dem Weg zu unserem Baby unterstützen.

Nachdem wir uns also auch über diese Punkte zu unserer Wunschgeburt ausgetauscht hatten, schrieb ich “Kamera”, sowie “Akkus und Speicherkarten” mit auf die Liste für die Kreißsaaltasche. Es vergingen ein paar Wochen.

Die Geburt begann mit geburtswirksamen Wehen am frühen Morgen

Die ambulante Geburt zum Greifen nahe

Anmerkung: Ich schreibe in diesem Blogpost ausschließlich von meinen ganz eigenen Erfahrungen mit Geburt. Keine Geburt gleicht einer anderen. Ich habe zwei sehr schöne und selbstbestimmte Geburten erleben dürfen. Aber “schön” und “selbstbestimmt” sind zwei Wörter, die sich unterschiedlich interpretieren lassen. Was für mich schön war, kann für eine andere gebärende Person das Gegenteil bedeuten. Ich wünsche mir, dass wir alle mit sehr viel Respekt und Gutmütigkeit auf die verschiedensten Geburtserfahrungen blicken. Keine Geburtserfahrung bedarf irgendeiner Bewertung außer von der gebärenden Person selbst.

Die Geburt begann dann drei Tage vor dem errechneten Geburtstermin früh morgens um 5 Uhr mit Wellen. Schon nachts ziepte es hier und da, ich nahm diese Zeichen aber noch nicht allzu ernst. Um 5 Uhr dann aber war mir ziemlich schnell klar, dass noch heute der Geburtstag unseres Kindes sein würde. Ich ging duschen und die Wellen wurden kräftiger, sodass ich noch aus der Dusche heraus meinem Mann zurief, dass er ruhig schon einmal meine Schwiegermutter anrufen könne. Das hatte er längst getan. Sie, so war es abgesprochen, würde auf unser erstes Kind aufpassen. In mir breitete sich eine große, kribbelige Vorfreude aus. Ich war außerdem sehr dankbar, dass die Geburt morgens los ging. Meine Hebamme rechnete mit einer raschen Geburt und ich wollte nur allzu gern am Abend mitsamt unseres Babys wieder Zuhause bei meinem anderen Kind sein. Ich habe unser erstes Kind auch bereits ambulant entbunden und hatte das in sehr guter Erinnerung. Außerdem war ich noch nie eine Nacht von unserem damals 26 Monate altem Kind getrennt und die Vorstellung blockierte mich im Vorfeld der Geburt oft. Dadurch, dass wir jetzt aber so viel Zeit bis zum Abend hatten, konnte ich mich maximal entspannen und auf die Geburt einlassen.

Die Hebamme fand meinen Wunsch nach Geburtsfotos großartig und unterstützte unser Vorhaben sogar

Gegen 08:15 kamen wir im Hebammengeführten Kreißsaal in Buchholz an, in dem ich nun das zweite Mal entbinden durfte. Als wir in den Türen des Kreißsaals standen, erblickte mich Hebamme Claudia, bei der ich bereits zweimal einen Geburtsvorbereitungskurs gemacht hatte. Es war nicht zu übersehen, dass an diesem Tag wohl mehrere Kinder auf die Welt kommen wollten. Dennoch war die Stimmung vor Ort voller positiver Energie und gleichzeitiger Ruhe. Claudia nahm sich uns an, was nur zu noch mehr Entspannung meinerseits führte.

Im Kreißsaal dann richteten mein Mann und ich uns etwas ein. Wir ließen die Geburtsplaylist laufen und ich schaute, wo und wie ich am besten die Wellen veratmen konnte. Sie schwächten kurz minimal ab, was nur eine natürliche Reaktion meines Körpers auf den Umgebungswechsel war. Diesen Moment nutzte ich, um Claudia von meinem Wunsch nach Geburtsbildern zu erzählen, den sie großartig fand. Sie bot auch an, die Kamera zu bedienen, wir sollten ihr dann nur Bescheid geben. Ich lächelte dankbar und stellte also die Kamera auf. Zwischen den Wellen schaute ich einmal kurz drauf, ob das Licht stimmte und dann ließ ich sie ein unbeachtet nebenher ein paar Bilder beim Veratmen der Wellen machen, ohne dass ich nochmal etwas umstellte. Wie ich erwartet habe, vergaß ich die Kamera schnell und war ganz bei mir und meinem Baby. Zwischendurch sollte ich einmal in eine seitlich liegende Position wechseln, weil mein Baby die Drehung nicht ganz schaffte. Mein Mann stellte die Kamera einfach kurz einmal um. Wir hatten kein Stativ mitgenommen, das wirkte uns dann doch etwas zu prominent. Wir nutzten einfach die Fensterbänke oder ein Schränkchen, um die Kamera zu platzieren.

Der Moment der Geburt stand unmittelbar bevor

Die Wellen waren überwältigend.

Lange hielt ich es in der liegenden Position nicht aus, Ich war, wie auch bei der ersten Geburt, eine gebärende Frau mit großem Bewegungsdrang. Außerdem merkten alle im Kreißsaal, dass die Geburt schon weit voran geschritten war: Der Moment, in dem mein Baby auf die Welt kommen würde, stand unmittelbar bevor. Die Wellen waren überwältigend. Ich war ganz bei mir und dem Baby und hatte Claudia an meiner Seite. Ich fühlte mich sicher. Mein Mann spürte, dass dies der Part der Geburt ist, bei dem ich ihn nicht aktiv brauchte. Das war schon bei der Geburt unseres ersten Kindes so und wir hatten abgesprochen, dass er sich dann kurz um die Kamera kümmern würde. Ich kam aus dem Liegen in die Hocke und spürte, dass dies die Geburtsposition sein würde. Bei jeder Welle schob ich mit und die Schwerkraft tat dabei unglaublich gut. Nach einigen Wellen war es dann so weit: Der Kopf unseres Babys war geboren, nach zwei weiteren Wellen dann auch der Körper. Meine Hebamme reichte mir unser Baby im Augenblick seiner Geburt direkt hoch in die Arme.

Geburtsbild: Mutter weint während sie das Neugeborene Baby das erste Mal im Arm hält

Ich empfand tiefe Dankbarkeit für diese selbstbestimmte Geburt, die wir erleben durften

Ich spürte, wie sich ein unglaubliches, überwältigendes Gefühl von Zufriedenheit in mir ausbreitete. Und Stolz. Und Fassungslosigkeit. Und Erschöpfung. Wir hatten es tatsächlich geschafft. Die Geburt war intensiv und wunderschön und ich war dankbar, ja, über alle Maße demütig, dass ich eine zweite, komplikationslose und absolut selbstbestimmte Geburt erleben durfte.

Und so betrachtete ich dieses kleine Menschenkind in meinen Armen, dass von nun an zu unserer Familie gehörte.

Direkt im Kreißsaal legten wir das erste Mal zum Stillen an

Für die Geburt der Plazenta legte ich mich gemeinsam mit unseren Neuankömmling auf das große Bett. Es dauerte eine Weile, bis die Plazenta kam und wir nutzten die Zeit für intensives Kuscheln zu dritt und für das erste Stillen. Auch das Bild der ersten Stillmahlzeit meines Babys bedeutet mir viel. Es zeigt den Beginn unserer Stillgeschichte, die viele Höhen und Tiefen hat. Es ist ein Bild von dem Moment, in dem mein Baby das erste Mal ein Hungergefühl hatte und gespürt hat, dass jemand da ist, der es auch außerhalb der Gebärmutter versorgt. Nicht nur mit Nahrung, sondern ebenso mit Nähe und Fürsorge.

Nachdem die Plazenta geboren wurde und die Nabelschnur auspulsieren durfte, durchtrennte mein Mann sie. Ich betrachtete interessiert und völlig fasziniert dieses wunderschöne Organ, welches über so eine lange Zeit unser Baby versorgt hat.

“Ihr habt leider eine Nacht auf der Wochenbettstation gewonnen”

Wie doch nicht alles nach Plan lief:

Mein Mann begleitete unser Baby bei der U1, die die Hebamme nur wenige Schritte von mir entfernt mit unserem Baby machte. Währenddessen wurden meine, zum Glück dieses Mal nicht so gravierenden, Geburtsverletzungen versorgt.

Die Zeit im Kreißsaal verflog sehr schnell und wir hatten den Gedanken schon manifestiert, nach wenigen Stunden nach Hause zu fahren. Kurz vor unserer Abfahrt änderte sich der Plan jedoch und ich musste auf Grund einiger Umstände doch über Nacht mit unserem Baby vor Ort zur Überwachung bleiben. Hebamme Claudia musste mir die Nachricht überbringen und da sie wusste, dass es für mich ein quälender Gedanke war, fing sie mich großartig auf. Und auch wenn es mir das Herz sehr schwer machte, weil ich unbedingt mein älteres Kind in die Arme schließen und ihm sein Geschwisterchen vorstellen wollte, war ich froh, mir dieses Krankenhaus ausgesucht zu haben. Alle waren unglaublich liebevoll zu mir und dem Baby und wir nutzten die Zeit, uns relativ ungestört kennen zu lernen. Ich hatte ein rotes Bondingtuch dabei, in welches ich mein Baby legte und so konnten wir den Rest des Tages und die gesamte Nacht Haut an Haut verbringen. Mein Mann war währenddessen bei unserem Kind und erzählte ihm, dass das Baby geboren wurde und er es schon bald in den Arm nehmen durfte.

Kopf eines Neugeborenen Babys mit vielen Haare, gehalten von der Hand der Mutter

Endlich durften wir in unser Wochenbett abtauchen

Am nächsten Tag setzten wir dann alles daran, nach Hause zu kommen. Mein Wille war groß und die Umstände, weswegen wir noch bleiben sollten, relativierten sich, sodass dem Vorhaben nichts mehr im Wege stand. Meine großartige Nachsorgehebamme Birte, die mich bereits während meiner Schwangerschaft betreute und nun auch die Wochenbettbetreuung übernehmen würde, war zum Glück sehr flexibel und unterstützte unseren Wunsch. Und so kamen wir um etwa 19 Uhr abends zuhause an. Ich legte mich mit dem Baby ins Bett und mein Mann holte unser Kind von den Schwiegereltern. Kurze Zeit später hatten wir den Moment, den ich nie vergessen werde: Wir lagen zu viert im Bett und unser Kind hielt voller Stolz sein Geschwisterchen im Arm. Diesen Ausdruck der Ungläubigkeit, dass das Baby jetzt nicht mehr im Bauch, sondern in unseren Armen ist, hat sich für immer tief in mein Herz gebrannt. Innerhalb der nächsten Stunde kam dann auch meine Hebamme, um nach uns zu sehen. Und damit tauchten wir in unser Wochenbett ab.

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